07.07.2017

Spuren des Sports - Rudern in Frankfurt seit 150 Jahren

ENGLISCHE KAUFLEUTE, FRÄULEIN STEIN, FRIEDRICH STOLTZE,
ANNE FRANKS OPA – RUDERN IN FRANKFURT SEIT 150 JAHREN

Mittwoch 16. August 2017, 18.30 Uhr
Frankfurter Ruderverein von 1865 e.V., Bootshaus auf der Maininsel,
Alte Brücke 2, 60547 Frankfurt-Sachsenhausen
REFERENT: Dr. Ulrich Meißner

Inspiriert von englischen Vorbildern, gründen im Sommer 1865 neunzehn junge Männer den Frankfurter Ruderverein (FRV), den ersten deutschen südlich von Hamburg. Die Mitgliederliste, die von 1865 bis 1879 geführt wird, zeigt einen weltoffenen Verein mit zahlreichen Namen französischer, britischer, amerikanischer oder jüdischer Herkunft. Auf dem ältesten überlieferten Vereinsfoto aus dem Jahr 1869 sind siebzehn FRV-Aktive, meist Kaufleute, zu sehen.

Ungewöhnlich früh rudern hier auch Frauen. Schon 1870, bei der ersten Frankfurter Regatta treten in einem Boot auch drei „Offenbacher Mädchen in roten Blusen und schwarzen Röcken“ an. 1875 gewinnt das mit dem FRV assoziierte Fräulein Stein (gegen Männer!) auf dem Teich von Bad Nauheim den Siegerpokal im Einer. Seit etwa 1900 rudern Frauen auch regelmäßig beim Verein, allerdings erfüllt sich der Wunsch nach eigenen Umkleiden erst 1934, ausgerechnet in der Nazizeit, als die Frankfurter Rudergesellschaft Sachsenhausen – auf Druck der Obrigkeit – mit dem FRV fusioniert.

Die weltberühmteste Frankfurterin Anne Frank jedoch darf nicht rudern. Um die Jahrhundertwende tritt ihr Großvater, der Wechselmakler Michael Frank, in den FRV ein. Auch ihr Vater Otto rudert wenig später wohl als Schüler des Lessing-Gymnasiums beim FRV. Anfang der 1930 Jahre flieht die Familie vor den Nazis aus Frankfurt nach Amsterdam, wo Annes drei Jahre ältere Schwester Margot noch im September 1940 eine Medaille im Vierer gewinnt. Anne ist da mit elf Jahren noch zu jung fürs Ruderboot, muss sich verstecken und wird wie ihre Schwester Anfang 1945 im KZ Bergen-Belsen Opfer des Holocaust.

Als bei den Reichstagswahlen 1932 die NSDAP knapp 40 Prozent der Stimmen erhält, ist der FRV Teil der Gesellschaft. Ende 1932 wird Parteimitglied Fritz Mertens FRV-Vorsitzender. Der jüdische Bankier Heinrich Lismann, sein Vorgänger 1906-1909 und seither Ehrenvorsitzender, muss dagegen bereits im März 1933 „freiwillig“ als Vorsitzender des Frankfurter Regattavereins zurücktreten, wohl kaum ahnend, dass er später sein Leben nur durch Emigration retten kann.

Eigentlich sind im Verein seit dem weltoffenen Anfang eher aktive Demokraten vertreten: Der Ingenieur Friedrich Stoltze etwa, der seinen Namen vom berühmten Großvater erbt, ist 1906 bis 1933 Stadtverordneter für die Frankfurter Demokratische Partei, wird nach dem Zweiten Weltkrieg Stadtältester. Im Stadtparlament wirkte er an vielen Großprojekten mit: Osthafen, Festhalle, Großmarkthalle und die von 1914-1926 neu errichtete Alte Brücke an der Maininsel, auf der FRV beheimatet ist.

Der Verein spiegelt in seiner 150jährigen Geschichte die Weltpolitik wie die lokale, den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt und den Wandel von Natur und Umwelt. Das Rekord-Hochwasser von 1882 zerstört Boote und Bootshaus und senkt die Mitgliederzahl stärker als die beiden Weltkriege; Abriss und Neubau der Alten Brücke 1913-1926 verdrängen den Verein von seinem Stammplatz auf der Maininsel; in den zwanziger Jahren hat er dennoch Tausend Mitglieder, erzielt Walter Flinsch als mehrfacher deutscher Meister im Einer und Zweier den größten sportlichen Erfolg; in Zeiten der autogerechten Stadt und der Mainverschmutzung sinkt in den 1970er und 80er Jahren die Mitgliederzahl noch einmal unter hundert. Heute, wo die Stadt und der Main sich großer Beliebtheit erfreuen, betreiben im FRV wieder mehr als 300 Mitglieder vor allem den Breitensport. Dank des 2016 total sanierten Bootshauses dürfte ihre Zahl stetig weiter wachsen.

Hochwasser 1922

1928: eine der großen Frankfurter Ruderregatten

Altes Clubhaus des FRV 1865 e.V.